Als die Geschichte noch fehlte
Es war der Morgen, an dem ich zum ersten Mal das neue Lakota-Programm mit einer Schulklasse durchführen sollte. Im Konzept stand: „Abends am Lagerfeuer Lakotageschichten erzählen.“ Klingt schön. Nur: Ich hatte noch keine Geschichte.
Ich fuhr also früh zur Jugendherberge, den Kopf voller Gedanken. Ich hatte im Vorfeld zwar einige Geschichten gelesen, aber keine gefiel mir wirklich. Und ich wollte nicht einfach etwas vorlesen, sondern frei erzählen. Denn dann kann man Mimik, Gestik und Stimme nutzen – und Kinder mitnehmen auf eine echte Reise.
Der erste Funke
Am Anfang des Programms singen wir immer mit den Kindern das Lied „Adler will fliegen“. Und plötzlich war klar: Ein Adler musste vorkommen. Der Tag verging mit Basteln, Spielen, Singen. Doch währenddessen baute sich in meinem Kopf eine kleine Geschichte zusammen. Abends, am Feuer, erzählte ich sie zum ersten Mal. Unsicher, etwas holprig, aber voller Herz. Und sie kam an. Vielleicht, weil ich mit den Händen sprach. Vielleicht, weil ich mich traute, mich zu zeigen.
Das war der Anfang vom Kleinen Biber.
Vom Erzählen zum Aufschreiben
Mit jedem weiteren Lagerfeuer wurde die Geschichte runder. Sie wuchs. Und immer wieder fragten mich Kinder: „Kann man die Geschichte irgendwo nachlesen?“ Ich musste immer verneinen. Denn sie lebte nur in meinem Kopf.
Ich versprach den Kindern, sie irgendwann aufzuschreiben. Es dauerte fast vier Jahre. Erst ein Winter brachte mir die Ruhe dafür. Ich schrieb den ersten Teil auf – und merkte, dass er allein nicht stehen konnte. Der zweite Teil folgte. Und dann ging alles sehr schnell: Meine Tochter Rutchira illustrierte das kleine Heft, wir ließen es drucken, und jedes Kind, das das Lakota-Programm besuchte, bekam die Geschichte vom Kleinen Biber mit nach Hause.
Die Geschichte wird größer
Doch dabei blieb es nicht. Die Kinder wollten wissen, wie es weitergeht. Und so entstanden Teil drei bis sieben. Damit war das erste große Kapitel abgeschlossen. Der Kleine Biber hatte ein Zuhause gefunden – auf dem Papier, in Kinderzimmern, in Herzen.
Ein zweites Kapitel wartet schon. Vieles davon ist in meinem Kopf bereits da. Und gut, dass bald wieder Winter ist. Zeit zum Schreiben.
Was mir an der Geschichte wichtig ist
Die Geschichte vom Kleinen Biber ist mehr als eine Lagerfeuergeschichte. Sie soll:
- Abenteuer erzählbar machen, die Kinder mitreißen und Mut machen.
- Die Kultur der Lakotas greifbar machen, mit Respekt und Staunen.
- Eine Identifikationsfigur schaffen: Kleiner Biber ist etwa zehn Jahre alt, neugierig, sensibel, mutig – ein Kind wie viele.
- Magie spürbar machen: Kleiner Biber kann in Gedanken mit Tieren sprechen. Die Grenze zwischen Fantasie und Wirklichkeit verschwimmt. Und genau darin liegt die Kraft der Geschichte.